Am morgigen Donnerstag eröffnet das Traditionsinstitut Julius Bär den Reigen der grossen Schweizer Bankabschlüsse in diesem Jahr. Lohnt es sich nun, in Bankatien zu investieren? Eine Einschätzung exklusiv für finews.ch liefert der langjährige Branchenexperte Christian Gast.

Im vergangenen Jahr blieb der Schweizer Aktienmarkt mit einem Plus von 6,09 Prozent hinter vielen Indizes zurück. Schweizer Bankaktien vermochten jedoch zu überzeugen und konnten vor allem gegen Ende des Jahres kräftig zulegen, da die US-Notenbank (Federal Reserve, Fed) die Börsen auf tiefere Zinsen einstimmte. Allerdings war die Titelselektion zentral, reichte doch das Performance-Spektrum von minus 30,83 Prozent bei der Bellevue Group bis zu 55,63 Prozent bei der UBS.

Wie steht es heute um den Sektor? Kann sich die positive Entwicklung je nach wirtschaftlichem Szenario fortsetzen?

Kantonalbanken mit grossen Unterschieden

Bankaktien sind grundsätzlich zinssensitiv und profitieren bei steigenden kurzfristigen Zinsen. Mit der Abkehr der Schweizerischen Nationalbank (SNB) von der Nullzinspolitik hat sich die Zinsmarge klar zugunsten der Banken entwickelt. In der Schweiz profitierten vor allem die Kantonalbanken, die im Durchschnitt 65 Prozent des Geschäftsertrags aus dem Zinsdifferenzgeschäft erwirtschaften.

Die Nettozinsmarge hat sich bei den meisten Kantonalbanken von 0,5 Prozent im Jahr 2022 auf über 1 Prozent verbessert. Der langfristige historische Durchschnitt liegt bei 1,2 Prozent, was nur noch wenig Spielraum nach oben zulässt.

Ausserdem sind Geldmarktfonds wieder zu einer Konkurrenz geworden. Es gibt bei den Kantonalbanken jedoch grosse Unterschiede bezüglich Zinsmarge, Abhängigkeit vom Hypothekargeschäft, Business-Diversifikation und Wachstumsstrategien. Interessant ist die Banque Cantonale Vaudoise (BCV). Die Waadtländer Kantonalbank ist breiter aufgestellt und zeigt ein diversifiziertes Wachstum über Zinsgeschäfte, Asset-Management und Kommissionserträge hinweg. BCVs Gesamtportfolio ist somit weniger anfällig für höhere Zinssätze, insbesondere im Blick auf den Immobilienmarkt beziehungsweise Hypothekarkrediten. Darüber hinaus ist der Titel weiterhin attraktiv bewertet.

Dividendenpolitik im Fokus

Alle Finanzinstitute haben von der Abkehr der Nullzinspolitik und steigenden Zinsen profitiert. Es ist anzunehmen, dass die Rentabilität auch bei ersten Anzeichen von Zinssenkungen nicht signifikant negativ beeinträchtigt werden dürfte. Zu erwarten ist allenfalls eine moderate Rezession im ersten Halbjahr 2024. Allerdings glaube ich eher an eine weiche Landung oder sogar an ein «No-Landing», bei dem die Zinsen auf einem normalisierten Niveau bleiben.

Höhere Zinsen steigern die Gewinne der Banken, was 2024 bei anhaltend höheren Zinsen zu einer positiven Überraschung und einer möglichen Neubewertung beitragen könnte. Selbst bei einer Normalisierung von Zinsen, Krediten und Kapital bleibt der RoTE (Return on Tangible Equity) immer noch im zweistelligen Prozentbereich. Mit Buchwerten um 1 ergibt sich eine durchaus attraktive Bewertung. Die anhaltende Rentabilität führt dazu, dass viele Banken eigene Aktien zurückkaufen beziehungsweise eine attraktive Dividendenpolitik erwarten lassen.

Was tun mit der UBS?

Als einzige verbleibende börsenkotierte Universalbank in der Schweiz ist die UBS nach der Übernahme der Credit Suisse (CS) für viele Anlegerinnen und Anleger ein klarer Favorit. Der Zusammenschluss verläuft bis jetzt nach Plan und das Management führt die notwendigen Schritte äusserst effektiv durch, um die neue Bank als weltweit grösste Vermögensverwalterin mit einer einzigartigen Marktposition und Finanzkraft zu positionieren.

Rund 60 Prozent der Erträge stammen aus der Vermögensverwaltung. Die UBS ist die Nummer eins bei Schweizer Privat- und Firmenkunden und erzielt 20 Prozent ihrer Erträge aus diesem Bereich. Weitere 20 Prozent der Erträge stammen aus dem Investmentbanking. Im Gegensatz zu vielen Konkurrenten dient das Investmentbanking bei der UBS jedoch in erster Linie der Unterstützung der Vermögensverwaltung und des Asset Managements – und nicht einer eigenständigen Investmentbanking-Strategie.

Höherer Multiplikator

Finanzinstitute, die schwergewichtig in der Vermögensverwaltung (Wealth Management, Private Banking) tätig sind werden aufgrund ihrer stetigen, vorhersehbaren und risikoärmeren Erträge mit einem höheren Multiplikator gehandelt als Banken, die stark vom Investmentbanking abhängig sind.

Daher scheint die UBS sehr attraktiv bewertet zu sein, da sie mit zweistelligen Renditeerwartungen auf einer soliden Kapitalbasis nur leicht über dem materiellen Buchwert gehandelt wird. Auch im Vergleich zu amerikanischen Konkurrenten, die weit höher bewertet sind, sollte die UBS Aufholpotenzial haben.

Mit Hebelwirkung

Im internationalen Vermögensverwaltungsgeschäft aus der Schweiz sind die Schweizer Privatbanken EFG International und Julius Bär die bevorzugten Profiteure. Momentan bevorzugen Anlegerinnen und Anleger eindeutig EFG International, da die Bank weitere operative Hebelwirkung erzielt hat. Dies sollte zu einem deutlichen Anstieg des bereinigten Reingewinns im Vergleich zur Vorjahresperiode führen.

Bei Julius Bär halten sich Investorinnen und Investoren momentan zurück. Der Kurs hat im vierten Quartal 2023 deutlich an Wert verloren, nachdem ein enttäuschender Zehn-Monats-Handelsbericht und eine bedeutende Rückstellung für ein Kreditengagement bei der Signa-Gruppe bekannt gegeben worden war. Selbst bei einem Totalverlust des Signa-Engagements würde immer noch eine CET1-Quote von 14 Prozent resultieren. Der langfristige Schaden für das Geschäft scheint jedoch begrenzt zu sein, was die Bank für langfristig orientierte Investoren interessant machen könnte.

Potenzial einer Online-Bank

Auch beim Investmenthaus Vontobel sehen Anlegerinnen und Anleger kurzfristig keinen positiven Katalysator. Die Neun-Monatszahlen zeigten keine grosse Trendwende von Abflüssen aus dem Asset Management, was auch nicht durch Neugelder im Wealth Management kompensiert werden konnte.

Grosses Potenzial birgt möglicherweise die Online-Bank Swissquote. Im Jahr 2024 könnte sie weiterhin von hohen Nettozinserträgen profitieren, gepaart mit einer Erholung der Transaktionsaktivitäten. Nach Investitionen in den vergangenen Jahren sollte der operative «Leverage» endlich zum Tragen kommen.

Höhere Payout-Ratio

Eine investorenfreundliche Dividendenpolitik sowie eine Erhöhung der Payout-Ratio hat das Management bereits angedeutet. Der Titel handelt derzeit mit einem Abschlag im Vergleich zur Historie und zum Durchschnitt der Schweizer Finanzwerte.


Christian Gast 555

Christian Gast ist seit Dezember 2021 Mitglied der Geschäftsleitung der in Zürich ansässigen Firma Swiss Rock Asset Management. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an der Saarland Universität und doktorierte an der Universität Zürich. Neben seiner beruflichen Tätigkeit ist er auch Gast-Dozent an der Shenzhen Technology University. Christian Gast begann seine Laufbahn als Portfolio Manager bei der St. Galler Kantonalbank. Im Anschluss leitete er das Exchange-Traded Funds Geschäft der UBS. Ebenfalls bei der UBS leitete er die Produktentwicklung und das Produktmanagement der UBS Aktienfonds in EMEA. Danach war er als Mitglied der Geschäftsleitung für das Index-Business innerhalb von Blackrock (Schweiz) zuständig. Dem folgte die CEO-Rolle bei der Firma Systematic Investment – einem Joint Venture von Credit Suisse Asset Management und der Eidgenössisch Technischen Hochschule (ETH) Zürich.

 

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