Bereits Ende Mai sollen hiesige Banken und Vermögensverwalter im Handel einen neuen Standard aus Amerika erfüllen. Hektik ist vorprogrammiert, wie Recherchen von finews.ch zeigen: Die Hälfte der Akteure hat noch nicht einmal mit den Vorbereitungen begonnen.

Dem Trend zu immer mehr Tempo entkommt auch der Schweizer Finanzplatz nicht. Auf Geheiss der Schweizerischen Nationalbank (SNB) müssen die Banken ab dem August Instant Payments einführen. Der neue Standard will, dass eine Zahlung zwischen zwei Parteien innert zehn Sekunden abgewickelt wird, anstatt über Nacht respektive innert zwei Tagen.

Datum des Trades plus ein Werktag

Während Instant Payments für das grosse Publikum und damit die Retailbanken relevant ist, haben hiesige Privatbanken, Vermögensverwalter und Asset Manager einen weiteren Stichtag zu beachten, der schon deutlich näher gerückt ist: Spätesten ab dem 28. Mai gilt auch für Schweizer Finanzdienstleister der Standard «T+1» – dies spezifisch beim Kauf und Verkauf von amerikanischen, kanadischen und mexikanischen Wertschriften.

Die Abkürzung steht für «Datum des Trades plus ein Werktag». Mit dem von den USA vorangetriebenen Standard halbiert sich die für das Settlement von Transaktionen in den meisten Märkten der Welt geltende Frist, nämlich «Trade plus zwei Werktage», kurz «T+2».

Sturm 500

(Bild: J.P. Morgan)

Kein Entkommen für den Offshore-Hub

Die Umstellung ist von eminenter Bedeutung für den Schweizer Bankenplatz, da dieser traditionell besonders viele internationale Kunden in der Vermögensverwaltung betreut. Zudem beträgt der Anteil von US-Aktien am Weltaktienindex MSCI World rund 70 Prozent, und 40 Prozent aller Wertschriften sind dort gelistet. Für den Offshore-Hub Schweiz gibt es also kein Entkommen.

Beobachter schlagen nun Alarm. Erst langsam dämmere es der hiesigen Branche, dass die Umstellung unmittelbar bevorstehe. «Viele Schweizer Akteure haben noch immer nicht gemerkt, dass T+1 für sie ein Thema ist», sagt Andrea Sturm (Bild oben) zu finews.ch. Als Leiterin des Securities-Services-Geschäfts der amerikanischen Grossbank J.P. Morgan in der Schweiz und im deutschsprachigen Ausland ist sie mit dem Standard von Haus aus vertraut.

Ihr Team und sie unternehmen es jetzt, hiesigen Banken und Intermediären vor dem Stichtag auf die Sprünge zu helfen.

Zentrale Gegenpartei ist gefordert

Doch das ist nicht so einfach, denn es geht um ein komplexes Geschäft. Der Kauf eines Wertpapiers ist keine reine Transaktion zwischen kaufender und verkaufender Partei, wie sich in einer Wegleitung der Schweizer Börsenbetreiberin SIX zum neuen US-Standard nachlesen lässt. Tatsächlich sind bei einem Trade diverse Stellen involviert, sogenannte Intermediäre. Während den bisher zwei Tagen, die bis zum Abschluss des Handels bleiben, stellen diese unter anderem sicher, dass beide Vertragsparteien ihre Verpflichtungen erfüllen.

Dreh- und Angelpunkt ist die zentrale Gegenpartei im Clearing der Transaktionen. Sie fungiert als Vermittlerin zwischen den beiden Vertragsparteien und garantiert beiden Seiten eine saubere Abwicklung. Dazu übernimmt sie auch das Gegenpartei-Risiko. Wenn also eine der beiden Parteien ihren Verpflichtungen innerhalb zweier Tage nicht nachkommt, springt die zentrale Gegenpartei ein und agiert quasi als Versicherung.

Fehlerquote könnte sich vervierfachen

Letzteres ist von Bedeutung, weil bei den Trades einiges schief gehen kann. Die Parteien sind oft in unterschiedlichen Zeitzonen stationiert. Es gibt Kommunikations- und Liquditätsprobleme. Die Fehlerquote liegt bei T+2 etwa bei 5 Prozent. Das ist aus Sicht der Intermediäre zu verkraften.

Mit Akteuren, die nicht auf T+1 vorbereitet sind, könnte die Quote nun aber auf bis zu 20 Prozent der Trades klettern, sagt Christian Cebreros (Bild unten) von der Schweizer Asset Management-Beratungsfirma The Good Guys Company, die sich auf das Thema spezialisiert hat.

Cebreros 500

(Bild: TGGC)

Am Ende droht gar der Ausschluss

Cebreros befürchtet nun, dass der Finanzplatz deswegen einen Nachteil im Wettbewerb erleiden können. Denn die Intermediäre, zumal die Depotbanken und die Regulierungsbehörde in den USA, würden eine explodierende Fehlerquote auf Dauer nicht goutieren. Schliesslich sollten Misstrades eine absolute Ausnahme sein. Dass Depotbanken mit ihren Bilanzen als Zwischenfinanzierer einspringen, wäre daher nicht im Sinne der Regulierung.

In einem erste Schritt, erwartet der Berater, würden die Intermediäre auf dem vorgeschossenen Kapital einen höheren Zins verlangen. Kämen jedoch Schweizer Akteure chronisch zu spät, liefen sie Gefahr, nicht mehr oder nur zu wesentlich höheren Zinsraten bedient zu werden, so Cebreros. Damit drohe im Endeffekt gar der Ausschluss vom grössten Wertschriftenmarkt der Welt.

Das werden die hiesigen Branchenteilnehmer nicht riskieren wollen – entsprechend dürften sie schon bald in Hektik verfallen. Ihr Rückstand ist beträchtlich, folgt man einer inoffiziellen Umfrage, die Cebreros bei seinen Kunden durchgeführt hat. «50 Prozent erklärten, noch nicht mit den Vorbereitungen zu T+1 begonnen zu haben», sagt der Berater.

Keine Patentlösung

Dabei gibt es viel zu tun. Privatbanken und kleinere Asset Manager verfügen über keine Nacht-Desks für den Handel und die Handelsabwicklung. Wegen der Zeitverschiebung zum US-Markt verlieren sie deswegen bei einer neu halbierten Settlement-Frist wertvolle Stunden. Zudem werden viele Prozesse noch händisch ausgeführt. Das frisst ebenfalls Zeit.

Wie Cebreros ausführt, gibt es für die Schweizer Akteure bei der Bewältigung dieser Hürden keine Patentlösung. Jedes Unternehmen sei einzeln zu betrachten. Dass die Branche Geld in die Hand nehmen muss, scheint aber unausweichlich: Sowohl die Auslagerung an spezialisierte Anbieter wie auch die Mobilisierung einer Nachtschicht könnte teuer werden.

Ferienstopp bei J.P. Morgan

Doch das dürfte immer noch günstiger sein, als Verspätungsgebühren respektive Zinsen en Masse zu zahlen und die eigenen Kunden zu vergraulen. Bei der amerikanischen Grossbank J.P. Morgan, die unter anderem als Intermediär bei Settlements auftritt, hofft man jedenfalls auf eine rasche Reaktion. «Wir möchten nicht, dass unsere Schweizer Kunden ins Hintertreffen geraten», sagt dort die Securities-Services-Leiterin Sturm.

Auch sie rechnet aber damit, dass hierzulande nach dem 28. Mai noch zahlreiche Akteure nicht bereit für T+1 sind. «Ich habe bei meinem Team im Juni schon mal vorsorglich einen Ferienstopp verhängt», sagt die erfahrene Bankerin.

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