Die Raiffeisen Gruppe ist Marktführerin im Schweizer Hypothekargeschäft. Dennoch weiss Roland Altwegg, der Leiter Produkte & Investment Services bei Raiffeisen Schweiz, wo es noch Wachstumschancen gibt. Mit finews.ch hat er über die den Ausblick für den Immobilienmarkt gesprochen.


Herr Altwegg, wie schätzen Sie den Hypothekarmarkt für Raiffeisen aktuell ein?

Wir sind im vergangenen Jahr im Hypothekargeschäft gewachsen. Wir setzen jetzt schon seit mehreren Jahren auf qualitatives Wachstum. Das bedeutet, dass wir die Hypotheken nicht um jeden Preis abschliessen.

Die Raiffeisen Gruppe ist in diesem Geschäft die Marktführerin, im ersten Halbjahr 2023 lag der Marktanteil bei knapp 18 Prozent. Gibt es da überhaupt noch Luft nach oben?

Wir haben je nach Region noch sehr unterschiedliche Marktdurchdringungen. Das hängt davon ab, wie verwurzelt Raiffeisen dort jeweils ist. In den Gebieten, die man als Raiffeisen-Stammregionen bezeichnen kann, ist der Marktanteil hoch.

In den Städten ist das bisher noch nicht der Fall. Aber da gibt es auch viele Wettbewerber. Regional gibt es ganz klar Opportunitäten, aber in einem hart umkämpften Markt.

Die Leitzinsen sind seit 2022 rekordschnell geklettert. Wie haben die Kunden reagiert?

Mit der Zinswende gab es ein Umdenken. Man hat gemerkt, dass eine Hypothek wieder wesentlich mehr Geld kostet. Als die Zinsen allmählich zu steigen begannen, haben wir einen Run auf Saron-Hypotheken gesehen.

Kurzfristig haben die Kundinnen und Kunden zu den damals noch günstigeren Saron-Hypotheken gegriffen. Als dann die grösseren Schritte kamen, hat der Zins-Effekt durchgeschlagen. Damit gewann das Argument der Budgetsicherheit wieder an Bedeutung.

«Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem Kaufen wieder attraktiver wird»

Auch die Entscheidung, ob man eine kurz- oder langfristige Hypothek aufnimmt, ist wieder wichtiger geworden. Bei der Kalkulation, ob man lieber mietet oder kauft, hat es ebenfalls eine Verschiebung gegeben. Lange Jahre war Kaufen attraktiver, das hat sich mit dem Ende der rekordtiefen Zinsen geändert.

Aktuell deuten die Zeichen wieder auf Zinssenkungen. Steht damit ein erneuter Wechsel bevor?

Jetzt werden wieder sinkende Zinsen erwartet, was man auch an der Entwicklung der Zinsen für Festhypotheken ablesen kann. Gleichzeitig steigen die Mieten weiter. Jetzt sind wir wieder an einem Punkt angelangt, an dem Kaufen wieder attraktiver wird.

Sind nun festverzinste oder variable Hypotheken bevorzugt?

Aktuell ist es ziemlich ausgewogen. Das hängt natürlich stark von der Zinserwartung ab. Wer jetzt auf sinkende Zinsen setzt, greift zum Saron oder zu Festhypotheken mit kurzer Laufzeit.

Wir raten unseren Kundinnen und Kunden zumeist sowieso zu einer Staffelung der Laufzeiten. Damit lässt sich vermeiden, dass die gesamte Hypothek auf einmal fällig wird, und man kann so allfällige Preisschwankungen ausgleichen.

«Die Nachfrage ist ungebrochen da, aber nicht mehr zu jedem Preis»

Bei den Immobilienpreisen haben die hohen Zinsen aber kaum Wirkung gezeigt. Was waren die Gründe?

Die höheren Zinsen haben zu einer Verlangsamung bei den Preissteigerungen für Wohneigentum geführt. Neben einer latenten Angebotsknappheit hat die kalkulatorische Tragbarkeit mit 5 Prozent dazu geführt, dass Interessenten immer mehr Eigenmittel aufbringen müssen, was angesichts der Einkommensentwicklung gar nicht möglich ist. Immer weniger Menschen können sich Eigentum leisten.

Das liegt auch an der Preisentwicklung der vergangenen 10 Jahre. Dadurch hat sich der Graben zwischen der älteren Bevölkerung, die bereits Vermögen aufgebaut hat, und den Jüngeren verbreitert.

Wie wirkt sich das auf die Nachfrahe aus?

Die Nachfrage ist ungebrochen da, aber nicht mehr zu jedem Preis. Man hat einen Rückgang der Transaktionen um 25 bis 30 Prozent gesehen. Ebenso bleiben die Inserate auf den Immobilien-Portalen länger stehen.

Der Schweizer Immobilienmarkt ist im Vergleich zu anderen Ländern sehr stabil. Woran liegt das?

Wenn wir in der Schweiz Zinssätze gesehen hätten wie in den Euro-Ländern oder Grossbritannien, hätte das auch hier eine grössere Wirkung gehabt. Historisch gesehen ist ein Leitzins von 1,75 Prozent nicht hoch, und bei einer ähnlich starken Inflation ist das auch nicht restriktiv.

Die Bremswirkung auf die Konjunktur ist moderat. Ebenfalls ist in der Schweiz der Wunsch nach Wohneigentum immer noch sehr gross. Hierzulande besitzen 40 Prozent Wohneigentum, in der EU liegt der Schnitt bei zwei Dritteln.

Womit rechnen Sie im laufenden Jahr?

Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage durch sinkende Zinsen wieder angekurbelt wird. Derzeit sind keinerlei Entwicklungen auszumachen, die den Immobilienmarkt stark negativ beeinflussen würden. Da bräuchte es schon einschneidende Ereignisse wie etwa ein massiver Konjunktureinbruch oder eine starke Beschränkung der Zuwanderung.

«Beim Bauen sehe ich schon auch den Staat gefordert»

Insbesondere in den grösseren Städten ist Wohnraum und das Angebot an Stockwerkeigentum sehr knapp. Welche Rahmenbedingungen braucht es, damit sich das ändert?

In den Schweizer Zentren wie Zürich, Basel, Bern, Lausanne und Genf wird Wohnraum knapp bleiben. Als Hemmnisse für den Wohnungsbau sehe ich die Bauvorschriften und Regulierungen, die oft nicht mehr den aktuellen Gegebenheiten entsprechen.

Auch die Zonenplanung ist oft ein Hemmnis. In der Peripherie muss über Verdichtung nachgedacht werden, wenn nicht mehr Flächen zur Verfügung stehen. Beim Bauen sehe ich schon auch den Staat gefordert, entweder über Regulierung oder Subventionierung. Darüber muss man etwa auch in den Tourismusgebieten nachdenken, wo kaum noch bezahlbarer Wohnraum für Einheimische verfügbar ist.

Auch in der Peripherie wächst der Druck. Haben sich die Wohnbedürfnisse der Menschen geändert?

Mit der Pandemie und der Etablierung von Homeoffice hat auch beim Wohnen ein Umdenken stattgefunden. Die Menschen nehmen einen längeren Arbeitsweg in Kauf, wenn sie nur zwei oder drei Tage in der Woche pendeln müssen. Das bedeutet, dass die hohe Nachfrage in den grösseren Städten stärker in die umliegenden Gemeinden ausstrahlt.


Roland Altwegg ist bereits seit 2007 bei Raiffeisen. Er wurde 2021 als Leiter des Departements Produkte & Investment Services in die Geschäftsleitung berufen. Davor leitete er die Bereiche Neue Geschäftsmodelle & Ökosysteme, Produktmanagement, Privatkunden und Operational Risk Controlling. Zu seinen Stationen im Banking gehören auch die Bank Sarasin und Pictet.

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