Das Bild eines Landes ist nicht einfach die Kopie der Wirklichkeit. Es ist etwas, das umsichtig gestaltet werden muss, sagt Martin Dahinden, Schweizer Botschafter in den USA, in seinem exklusiven Essay für finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen renommierte Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Dabei äussern sie ihre eigene Meinung. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. finews.first läuft in Zusammenarbeit mit der Genfer Bank Pictet & Cie. Die Auswahl und Verantwortung der Beiträge liegt jedoch bei finews.ch.


Die Wahl Donald Trumps zum amerikanischen Präsidenten hat das Bild der USA in der Welt schlagartig ins Bewusstsein gerückt und auch verändert. Wie steht es aber um das Bild der Schweiz bei Amerikanerinnen und Amerikanern?

Und weshalb ist das Image eines Landes überhaupt wichtig? Solche Fragen haben mich beschäftigt, seit ich vor zwei Jahren schweizerischer Botschafter in Washington wurde.

Das Image eines Landes ist wichtig. Es schafft und begrenzt Handlungsmöglichkeiten. Ob die Schweiz in den USA für befreundet, wichtig, uninteressant, lösungsorientiert oder als Problem gesehen wird, entscheidet zu einem grossen Teil, welche Beziehungen entstehen und welche gemeinsamen Vorhaben angepackt werden – oft unabhängig von den tatsächlichen Verhältnissen.

Der Steuer- und Bankenstreit mit den USA haben in der Schweiz seit Jahren die Beziehungen zu den USA geprägt. Bei meinem Arbeitsbeginn in Washington stellte ich mich auf harzige und hemdsärmelige bilaterale Auseinandersetzungen vor und auf unfreundliche Kontakte mit der Administration, mit amerikanischen Medien und in der Öffentlichkeit.

«Ich stellte sehr rasch fest, dass nach wie vor ein anderes Bild der Schweiz vorherrscht»

Im Washingtoner Alltag angekommen, stellte ich sehr rasch fest, dass nach wie vor ein anderes Bild der Schweiz vorherrscht: das traditionelle Bild der Schweiz als sympathische und etwas harmlose Alpenrepublik, die positive Emotionen weckt.

Amerikanerinnen und Amerikaner denken zuerst an emblematische Gegenstände wie Uhren, Käse, Berge, Militärtaschenmesser oder Schokolade. Personen kommen in diesem Bild selten vor. Positiv besetzt ist auch das Prädikat «Swiss Made» als Markenzeichen für Solidität, Zuverlässigkeit und Präzision. Für den Tourismus und die Konsumgüter-Industrie ist dieses Image vorteilhaft.

Allerdings hat dieses Bild Kratzer abbekommen. Die Obama-Administration setzte von Anfang an den Kampf gegen die Steuerhinterziehung hoch auf ihre politische Agenda. Im Justizdepartement wurden Personen in wichtige Funktionen eingewechselt, die sich dem Kampf gegen die Steuerhinterziehung verschrieben hatten.

Finanzinstitute, die unversteuerte Gelder entgegengenommen hatten, gerieten rasch ins Visier. Die USA trugen den Kampf gegen die Steuerhinterziehung auch in multilaterale Gremien (OECD, G20). Es gab aber in den USA keine Verschwörung gegen den schweizerischen Finanzplatz gab oder gar die Absicht, ihn zu ruinieren.

«Können wir zurücklehnen und uns am positiven Bild der Schweiz freuen? Keineswegs»

Das US-Justizministerium verhängte erhebliche Bussen gegen schweizerische Finanzinstitute, sie sind aber weit geringer als die Bussen, die amerikanischen Instituten auferlegt wurden. Über 75 Prozent der Bussen betrafen US-Finanzinstitute, rund 5 Prozent entfielen auf schweizerische Banken.

In der Schweiz wurden diese Auseinandersetzungen viel intensiver wahrgenommen als in den USA: Das positive Bild der Schweiz in den USA wurde aber nicht nachhaltig beeinträchtigt – auch nicht die sich stark entwickelnden Wirtschaftsbeziehungen.

Können wir zurücklehnen und uns am positiven Bild der Schweiz freuen? Keineswegs. Das vorherrschende Bild stellt die Schweiz als etwas dar, dass sie nicht ist (und wahrscheinlich auch nie war).

Besonders in wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Hinsicht ist die Schweiz kein folkloristischer Kleinstaat. Sie ist der siebtgrösste Investor in den USA und steht damit praktisch gleichauf mit Deutschland. Schweizer Unternehmen schaffen in den USA über eine halbe Million oft forschungsintensive und gut bezahlte Stellen.

Umgekehrt ist die Schweiz auch ein wichtiger Standort für Investitionen amerikanischer Firmen. Beim Waren- und Dienstleistungsaustausch schafft es die Schweiz jeweils locker unter die wichtigsten zwanzig Partner der USA.

«Aus diesem Grund gehört Imagepflege seit Jahrhunderten zum Kerngeschäft der Diplomatie»

Das vorherrschende Image verdeckt Möglichkeiten und Potenziale in der Zusammenarbeit mit den USA und führt dazu, dass die Schweiz unter ihrer Bedeutung wahrgenommen wird, was kein Vorteil ist, um Anliegen und Interessen zu vertreten. Zu Recht sagte der amerikanische Publizist Vance Packard, dass wir allmählich das Bild werden, das sich andere von uns machen. Das trifft zu, unabhängig davon, ob dieses Bild für uns vorteilhaft ist oder nicht, ob es richtig oder falsch ist.

Genau aus diesem Grund gehört Imagepflege seit Jahrhunderten zum Kerngeschäft der Diplomatie. Es geht nicht um kostspielige Werbekampagnen, sondern in erster Linie darum, mit beharrlichen Gesprächen mit Entscheidungsträgern und Meinungsführern in Administration, Kongress, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien an diesem Bild zu arbeiten.

Denn das Bild eines Landes – wie einer Firma, eines Produkts oder einer Dienstleistung – ist nicht einfach die Kopie der Wirklichkeit. Es ist etwas, das umsichtig gestaltet werden muss.

Der Wechsel der Administration in Washington und das voraussichtliche Abflauen des Bankenstreits sind ein günstiger Zeitpunkt, auch am Bild der Schweiz in den USA intensiver zu arbeiten. Die grosse Herausforderung besteht darin, das positiv besetzte, traditionelle Bild zu bewahren und durch ein Bild zu erweitern, das die heutige Schweiz mit ihrem wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Potenzial zeigt.

«Gerade in dieser Unterschiedlichkeit liegt ein grosses Potenzial»

Das ist möglich. Zwischen den traditionellen Tugenden der Schweiz – vom politischen System bis zur Qualität in der Industrie – und der hohen Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz besteht ein enger Zusammenhang. Ein zeitgemässes Bild der Schweiz wird auch sichtbar machen, wie stark sich die Schweiz von den USA unterscheidet und in einem gewissen Sinne komplementär ist.

Der schweizerische Hang zur Präzision und Qualität, aber auch zu Vorsicht und Zurückhaltung ist ein auffälliger Kontrast zur Begeisterungsfähigkeit und Risikofreudigkeit in den USA, wo noch immer Pioniergeist und die Freude zum Aufbruch nach neuen Ufern zu spüren ist. Gerade in dieser Unterschiedlichkeit liegt ein grosses Potenzial zu einer Vertiefung der Beziehungen. Damit dies erfolgreich geschehen kann, müssen aber die Bilder stimmen, die es in den beiden Ländern vom jeweils anderen gibt.


Martin Dahinden, geboren 1955 in Zürich, ist seit Oktober 2014 Schweizer Botschafter in den Vereinigten Staaten von Amerika. Nach dem Studium der Betriebswirtschaft und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Zürich trat er in den diplomatischen Dienst ein mit Einsätzen in Bern, Paris, Genf, Lagos (Nigeria), New York und Brüssel. Von 2000 bis 2004 leitete er das Internationalen Zentrums für humanitäre Minenräumung in Genf (GICHD), danach bis 2008 die Direktion für Ressourcen und Aussennetz im EDA.

Vor seiner Berufung zum Botschafter in den USA war Martin Dahinden von 2008 bis 2014 Chef der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA). Vor kurzem veröffentlichte er das Buch «Schweizer Küchengeheimnisse» über den schweizerischen Beitrag zur kulinarischen Geschichte.


Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Adriano B. Lucatelli, Peter Kurer, Oliver Berger, Rolf Banz, Samuel Gerber, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Thorsten Polleit, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Samuel Gerber, Nuno Fernandes, Thomas Fedier, Claude Baumann, Beat Wittmann, Richard Egger, Didier Saint-Georges, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Katharina Bart, Oliver Bussmann, Michael Benz, Peter Hody, Albert Steck und Andreas Britt.

 

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
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